Der Kranich kommt um sieben (Barth)

Ich sitze am Marktplatz und lasse mir die Sonne auf den Bauch scheinen. „Junges Fräulein, können wir uns die Bank teilen? Ich frag wegen dem Virus.“ Ich mache die Augen auf und ein knapp Neunzigjähriger Mann steht vor mir. „Selbstverständlich gern“ sage ich und dann kommt norddeutscher Slapstick.

„Endlich mal Sonne“, sagt er. Ich: „Jo.“ 3 Minuten Schweigen.

Er: „War aber auch n Sturm die letzten Tage.“ Ich: „Jo.“ 3 Minuten Schweigen.

Dann kommen wir in Fahrt. Ich erzähle ihm, dass ich zu Fuß hier bin. Er so: „Mädchen, warum machste das denn? Fährt doch n Bus!“ Hör ich nicht zum ersten Mal, aber von einem fast neunzigjährigen schon. Er lebt seit 1945 in Barth und erzählt mir Geschichten von hier.

„Oder bist du wegen der Kraniche hier?“ (Hat Hotte mich übrigens auch gefragt.) Nein, ich wusste auch nicht, dass ich in der Einflugschneise äh Ausflugschneise der Kraniche bin. „Wärste auch zu früh. Dauert noch.“ Ich könnte mich über seine Sprechpausen so beömmeln. 😂

„Die Touristen gucken den halben Tag nach oben, damit sie mal einen sehen. … Dabei kommt der erst um sieben. … Weiß ich genau, seh ich vom Küchenfenster.“

Und dann fällt mir ein, dass ich vorgestern so ein lucky shot gemacht habe:

Sie sind also doch schon da, behalt ich aber für mich. „War sehr schön mit dir“, sagt er, als ich nach einer Stunde gehe „und pass auf dich auf.“

Er meint das genauso und ich denke, zu Hause hätte ich das nie gemacht, weil ich nie Zeit habe.

Merke: Wahrer Luxus ist, auf einer Bank zu sitzen und zu warten, was passiert.

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