Survival Training im Wattenmeer (Schillig nach Minsener Oog) ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️

Ich miete mich zähneknirschend für eine Nacht auf dem Campingplatz in Schillig ein. Der Grund: Ich sammle skurille Orte und hier ist einer: Minsener Oog. Ein Minieiland zwischen Schillig und Wangerooge. Mit Wattführer darf man da hin, hab ich schon von zu Hause gebucht. In der letzten Minute tausche ich noch die kurze Hose gegen eine lange, weil es bei dem Wind auch in der Sonne frisch ist.

Am Treffpunkt guckt Jürgen, unser Wattführer, mich an und sagt „Hast du noch eine andere Hose mit?“ Da fiel es mir wieder ein. Man sollte schnelltrocknende, kurze Kleidung tragen. Jeans gehört nicht dazu. Er zeigt an seinem Stock die Markierung des Wasserstands bei Null. Das ist etwas oberhalb des Knies. Also seines Knies und Jürgen ist groß. „Heute sind 30cm mehr gemeldet“, da ahnt mehr als einer, dass er falsch angezogen ist. Die Querung von mindestens drei Prielen pro Richtung stehen uns bevor, 12 km Watt, viel Wind und vermutlich auch Wasser. Jetzt wäre die letzte Möglichkeit, auszusteigen. Macht keiner.

Apropos aussteigen… Da ich keine andere Hose mithabe, ziehe ich meine Jeans aus und gehe im Slip. Ja, sieht lustig aus. Oben dicker Hoody mit Tuch, unten fast nackt. Mir egal, weil wenn die Jeans nass ist, bleibt sie nass. Notiz an mich: Nie wieder in Jeans zur Wattwanderung. Und bei Veranstaltungen vorher nochmal kurz in die Bechreibung gucken.

Wir starten um 15:15 Uhr und als das Wasser das erste Mal oberhalb Jürgens Knies ankommt, fragen sich die, die nicht 1,90m sind, wo das noch hinführt.

Teilweise kann man gut gehen, aber an manchen Stellen zieht dir der Schlick die Schuhe aus. Jedes Priel wird tiefer, wir immer nasser. An manchen Stellen versinken wir knöcheltief im Watt und dann zieh dich da mal mit jedem Schritt wieder raus. Schuhe gehen verloren, meine auch. Da es sich nicht um Poolwasser handelt, siehst du halt auch gar nichts und wenn dir das Wasser bis zum Hintern steht, sind deine Arme auch zu kurz, um danach zu fischen. Selbst wenn…, wir laufen gegen die Zeit und um 18 Uhr erreichen wir unser Ziel: Minsener Oog.

Dort warten zwei Vogelwarte auf uns, die hier tatsächlich von O bis O leben. Aber aufgrund des Windes und des zurckkehrenden Wassers lässt Jürgen uns nur 20 Minuten Pause. Ich schlinge mein Käsebrot runter, damit ich mein Handy in meiner Brotdose verstauen kann. Meine größte Angst… Mein Handy im Wasser.

Hatten wir auf dem Hinweg einen Wasserstand von Hosenbund, ist es auf dem Rückweg dann doch eher Bauch. Damit sind auch die Rucksackinhalte in Gefahr. Es sei denn, du trägst ihn auf dem Kopf, aber dann hast du die Arme nicht mehr zum Balancieren frei. Wir schaffen es auch nur unbeschadet durch gegenseitige Unterstützung: Halten, auffangen, zureden.

Als die Sonne untergegangen ist, wird es richtig kalt. Um 20:30 Uhr erreichen wir wieder den Strand von Schillig. Ich renne seit 4 Stunden im nassen Slip rum, daran ändere ich jetzt auch auf dem Weg zum Campingplatz nichts mehr. Ich will nur noch eine heiße Dusche und ein kaltes Bier.

In diesen extrem aufregenden 5 Stunden war ich die ganze Zeit hin- und hergerissen zwischen „Wie geil!“ und „Wir müssen irre sein!“. Dass die Gruppe nicht eskaliert ist, halte ich bis jetzt für ein Wunder. Das war keine Wattwanderung, sondern ein Survival Training. Physisch wie mental.

In jedem Fall gehört dieses Abenteuer in die Top 5 meines Lebens und wird für immer unvergessen bleiben.

2 Kommentare

  1. Ich hab mir das mal auf der Karte angesehen – das ist ganz schön weit! 😱Du machst ja Sachen! Noch nie gehört von dem Oog!

    Wenn du weiter solche Wanderungen unternehmen möchtest – Es gibt noch ein paar ganz coole, supergefährliche Wattquerungen in England! 🤣

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